Banken halten Schuldner in der Dispo- Falle

Bankkunden haben kaum eine Chance, von einem teuren Dispokredit in einen günstigeren Ratenkredit zu wechseln.
Das zeigt eine Expertenbefragung der Verbraucherzentralen im Rahmen ihrer Initiative Finanzmarktwächter unter Schuldnerberatungsstellen. Die Berater gaben an, dass im Schnitt 70 Prozent solcher Wechselwünsche abgelehnt oder gar nicht erst beantwortet werden. Besonders schlimm: Gelingt eine Umschuldung doch, stehen drei von vier Verbrauchern am Ende finanziell schlechter da. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert eine gesetzliche Pflicht für Banken, betroffenen Kunden den Wechsel in einen günstigeren Ratenkredit ohne Zusatzverträge anzubieten.

Ein Dispositionskredit soll helfen, kleinere finanzielle Engpässe kurzfristig zu überbrücken. Doch die befragten Experten gaben an, dass über 90 Prozent der Ratsuchenden in Schuldnerberatungsstellen ihr Girokonto länger als zwölf Monate überziehen. Vier von zehn Betroffenen sind mit 3.000 Euro und mehr im Minus. Dies belastet sie mit über 360 Euro im Jahr, legt man den durchschnittlichen Zinssatz zugrunde. Dieser liegt einer aktuellen Untersuchung der Stiftung Warentest zufolge bei rund zwölf Prozent, teilweise sind es mehr als 14. „Dieser Zins-Wucher muss ein Ende haben“, so vzbv-Vorstand Gerd Billen. Er fordert vom Bundesjustizministerium, die Zinssätze gesetzlich zu deckeln. Eine Regelung sollte sich an der gesetzlichen Grenze im Falle eines Zahlungsverzugs orientieren. Diese liegt für Verbraucher beim Basiszinssatz (derzeit 0,37 Prozent) zuzüglich fünf Prozentpunkten.

Wettbewerb versagt
Der Gesetzgeber muss einschreiten, weil der Wettbewerb versagt. Bankkunden haben zwar theoretisch die Möglichkeit, in einen günstigeren Ratenkredit umzuschulden und dafür die Bank zu wechseln. In der Praxis funktioniert dies aber selten: Die Experten in den befragten Schuldnerberatungsstellen gaben an, dass die Kreditinstitute im Schnitt in sieben von zehn Fällen auf die Umschuldungswünsche ihrer Kunden gar nicht reagieren oder den Wechsel ablehnen. Als Begründung geben sie häufig ein zu niedriges Einkommen oder fehlende Kreditwürdigkeit an. „Das ist ein Ablenkungsmanöver, denn der Dispokredit wurde ja bereits eingeräumt“ sagt Andrea Heyer, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen. Ein näherliegender Grund ist das Eigeninteresse des Kreditinstituts, das am Dispokredit doppelt so viel verdient wie am Ratenkredit.

Teure Restschuldversicherungen
Ein weiteres Ergebnis: Wenn der Wechsel in einen Ratenkredit doch gelingt, stehen viele Verbraucher anschließend finanziell noch schlechter da. Die befragten Experten gaben an, dass dies in drei von vier Fällen so ist. Der Grund: Die Banken verkaufen den Kunden bei der Umschuldung teure Zusatzverträge, vor allem Restschuldversicherungen, die die Kredite aufblähen. So sind insbesondere Banken zu einer Umschuldung bereit, die für den extensiven Verkauf von Restschuldversicherungen bekannt sind. Der vzbv fordert eine gesetzliche Pflicht für Banken, Kunden die Umschuldung in einen zinsgünstigeren Ratenkredit anzubieten, wenn sie ihren Dispokredit länger als zwölf Monate voll ausschöpfen. Damit dürfen keine Zusatzverträge verknüpft werden. Zudem muss die Pflicht zu einer bedarfsgerechten Kreditberatung gesetzlich verankert werden. „Die Bank sollte ihre Kreditberatung dokumentieren müssen und für Schäden aus einer nicht bedarfsgerechten Beratung haften“, so Billen.

Befragung im Rahmen der Initiative Finanzmarktwächter
In Deutschland gibt es zwischen drei und vier Millionen überschuldete Privathaushalte. Viele von ihnen suchen Rat bei den rund 1.000 behördlich anerkannten Schuldnerberatungsstellen. In 59 davon führten die Verbraucherzentralen eine Expertenbefragung unter Beratern durch. Folgende Fragen wurden dabei erhoben: In welcher Höhe und über welche Dauer werden Dispokredite von Verbrauchern mit finanziellen Problemen genutzt? Bieten die Banken ihren Kunden eine Umschuldung in preisgünstigere Ratenkredite an? Inwieweit können sich die Bankkunden durch eine Umschuldung finanziell verbessern?

Die Arbeit der Verbraucherzentralen dient als wichtiger Sensor für Mängel und Missstände im Finanzmarkt. Diese Funktion gilt es durch zusätzliche Ressourcen auszubauen und die Prozesse zu institutionalisieren. Als Finanzmarktwächter könnten die Verbraucherzentralen der staatlichen Finanzaufsicht Impulse geben, unseriöse Geschäftspraktiken zu erkennen. Die Initiative Finanzmarktwächter der Verbraucherzentralen soll im laufenden Jahr das Potential einer solchen Einrichtung aufzeigen. Die Aktion wird vom vzbv und allen 16 Verbraucherzentralen getragen.

Fr, 07. Okt 2011

Quelle:VBZ Bremen